Im Unterschied zu einer Opposition können sich Regierende nicht mit der Kritik früherer Versäumnisse und der Forderung des Wünschenswerten begnügen, sondern sind vor allem im Hier und Jetzt angesichts realer und durchsetzbarer Handlungsalternativen gefordert. Sie stehen dabei in Verantwortung für die Folgen eigenen Tuns oder Unterlassens. Wer nicht nur für sich selbst verantwortlich ist, sondern für den Schutz der eigenen Bevölkerung, für die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols und die Erfüllung von Verpflichtungen, die sich aus UNO- und Bündnismitgliedschaft ergeben, kann eine strikte und prinzipielle Gewalt- und Militärfreiheit nicht mehr aufrechterhalten. (S.310)
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Eine Politik der Gewaltfreiheit kann sich nicht im Ziel der Entmilitarisierung erschöpfen. Sie muss auf Verhütung und Eindämmung illegitimer Gewalt, auf rechtsstaatliche Einhegung und Minimierung von Staatsgewalt und umfassende Friedensförderung ausgerichtet sein. Soll eine Politik der Gewaltfreiheit wirksam sein, muss sie nicht nur multilateral, sondern auch multidimensional angelegt sein. Statt irgendwelcher Alleinvertretungsansprüche einzelner Akteure muss es gelingen, dass zivilgesellschaftliche und politische, staatliche und nichtstaatliche Akteure mit ihren unterschiedlichen Rollen im Sinne des gemeinsamen Ziels zusammenwirken, sich kritisieren, gegebenenfalls konstruktiv stören und damit produktiv ergänzen. (S.315)